Mittwoch, 26. April 2017

Der Fall Michelle K. – 10 Jahre danach

Gestern vor 10 Jahren wurde in Heilbronn die Polizeimeisterin Michelle Kiesewetter durch bislang unbekannte Täter durch einen Kopfschuss getötet. Ihr Kollege Martin A. erlitt ebenfalls einen Kopfschuss. Er überlebte schwerverletzt und wird bis zu seinem Lebensende an den Folgen laborieren. Bei den Ermittlungen kam es zu folgenschweren Pannen, u.a. durch mit DNA einer Mitarbeiterin der Herstellerfirma verunreinigte Probenträger, die für die Beweissicherung genutzt wurden und zunächst auf das „Heilbronner Phantom“ als mögliche Täterin verwiesen.
In der weiteren Folge gab es Ermittlungen im Landfahrer-Milleu, da sich Mitglieder dieser Gruppe am Tattag in der Nähe aufhielten. Die Quelle „Krokus“, eine V-Person des Verfassungsschutzes Baden-Würtemberg gab Hinweise auf Interesse aus dem rechten Umfeld an dem Gesundheitszustand des Martin A.

Die Dienstwaffen Hekler & Koch P2000 der beiden Polizisten, die, zusammen mit Handschellen und Reizgassprühgeräten am Tattag entwendet worden waren, wurden im November 2011, nach dem Auffinden der Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in dem in Eisenach ausgebrannten Wohnmobil gefunden, welches mutmaßlich zu konspirativen Zwecken des Nationalsozialistischen Untergrundes NSU diente. Offensichtlich waren die Waffen bis dahin, immerhin 4 1/2 Jahre nach der Tat, nicht für weitere Straftaten benutzt worden.

Die Tatwaffen für den Angriff auf die beiden Polizisten wurden in der konspirativen Wohnung des NSU in Zwickau aufgefunden, nachdem diese von Beate Zschäpe in Brand gesetzt worden war.
Danach gingen die Ermittler davon aus, dass die Absicht der Täter, bei denen es sich mutmaßlich um Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gehandelt hätte, die Beschaffung der Dienstwaffen der Beamten gewesen wäre. Aus meiner Sicht ist diese These aus vielerlei Gründen sehr schwach:
  • Da bereits der Angriff mit zwei Schusswaffen vom Typ Tokarev und und Radom begangen wurde, die auf konspirativem Weg beschafft worden waren, würde ein sich konspirativ verhaltender Täter niemals selbst Polizisten, also eigentlich vergleichsweise harte Ziele, angreiffen, um sich zusätzliche Waffen zu beschaffen. Er würde eher den schon bekannten Weg wählen.
  • Es gab immer wieder Hinweise darauf, Kiesewetter und zumindest Böhnhardt könnten Sich gekannt haben oder zumindest zeitweise in den gleichen Kreisen verkehrt sein. Dieser mögliche Zusammenhang wurde auch durch das BKA hergestellt, es kam jedoch zu erheblichem Widerspruch aus dem persönlichen Umfeld von Kiesewetter.
  • Ebenfalls aus dem persönlichen Umfeld Kiesewetters gab es Hinweise darauf, dass die Tat im Zusammenhang mit den als „Türkenmorden“ bezeichneten Taten des (damals in der Öffentlichkeit noch nicht bekannten) NSU stehen könnte. Woher die Hinweisgeber (Polizisten der Landespolizei Thüringen, die mit Kiesewetter verwandt waren) ihre Kenntnisse bezogen haben ist unklar, zudem kam es im Nachgang offenbar zu Einschüchterungsversuchen gegen die Hinweisgeber.
  • Die ARD zeigte kürzlich Filmaufnahmen, die den Tatort kurze Zeit nach der Tatbegehung zeigen und auf dem im Hintergrund stehenden Versorgungsgebäude ein Grafitti mit den Initialen NSU erkennen lassen. Hierzu hatten bislang keinerlei Ermittlungen stattgefunden, wohl auch, weil der Begriff NSU zum Zeitpunkt der Tat überhaupt noch kein Thema gewesen war.
  • Kiesewetter war offenbar durch ihre Aufgabe bei der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit in Einsatzsituationen, die normalerweise von einem MEK übernommen werden, namentlich der verdeckten Ermittlung im Drogenmilleu. Hier sind im Einsatzraum Berührungspunkte der organisierten Kriminalität in Person kurdischer und russicher Strukturen mit der rechten Szene bekannt. Es gibt Hinweise auf eine am Tatag stattgefundene Observation in Tatortnähe, die diesem Komplex zuzuordnen ist. In diesem Zusammenhang wird der Name Mevlüt Kar genannt, der weitreichende Kontakte sowohl zu deutschen als auch ausländischen Sicherheitsbehörden als auch zur OK und zum internationalen Terrorismus gehabt haben soll und inzwischen in Istanbul lebt. Bei einem Teil dieser Informationen stellte sich heraus, dass es sich um sehr gut gemachte Fälschungen handelte.
Bei Betrachtung alleine dieser, öffentlich verfügbaren Informationen, erscheint höchst zweifelhaft, dass die beiden Polizisten vom NSU selbst zufällig ausgewählt und mit der Absicht der Beschaffung von Faustfeuerwaffen angegriffen worden sind. Für sich konspirativ verhaltende Terroristen wäre ein solches Vorgehen höchst gefährlich. Zudem ist bekannt, dass die Terroristen über andere Wege zur Waffenbeschaffung verfügt haben, die ein solches Vorgehen sinnlos erscheinen lassen. Allenfalls zur Erbeutung hochwertiger, sonst nicht verfügbarer Waffen, etwa von Maschinenpistolen oder militärischen Sprengmitteln, wäre eine solche Entscheidung nachvollziehbar.

Es erscheint mir nach wie vor nicht schlüssig, warum den Hinweisen aus dem Umfeld Kiesewetters nicht stärker nachgegangen wurde, und warum die Erkenntnisse von Diensten wie dem BKA durch Widersprüche ebenfalls aus dem Umfeld Kiesewetters entwertet werden können.

Die Darstellung im Abschlussbericht des Innenministeriums Baden-Würtemberg von 2014, ist daher nach meiner Auffassung aus logischen Gesichtspunkten heraus unschlüssig.

Samstag, 22. April 2017

Differenzkontrakte und warum Sergej W. kein Einzeltäter war

Sergej W. soll, wie man heute nachlesen kann, 15.000 "Optionen" auf fallende Kurse der BVB-Aktie gekauft haben. Nun muss man wissen, wie solche Geschäfte funktionieren: So genannte Differenzkontrakte oder CFDs kosten Bruchteile des eigentlichen Aktienwertes, hier also wenige Cent. Beim genannten Volumen kommt man dabei mitnichten auf 75.000 Euro Einsatz, sondern eher maximal 10 % davon.

Wenn jetzt diese Geschäfte zu einem nennenswerten Gewinn hätte führen sollen hätte er deutlich mehr solche CDS kaufen müssen. Und damit das an den Börsen auffällt hätten noch mehr Geschäfte bzw. Indikatoren dazu kommen müssen.

Ich bleibe also dabei: Das war kein Einzeltäter und die Story mit der Aktienspekulation stinkt weiterhin!

Freitag, 21. April 2017

Sergej W. - Identität und fachlicher Hintergrund

Nachdem Sputnik News den (möglicherweise richtigen) vollen Namen des mutmaßlichen BVB-Attentäters nennt kann man mit einfachem googlen bestätigen, dass ein Mensch identischen Namens im Jahr 2015 einen Preis an der Berufsschule in Feudenstadt erhalten hat. Und siehe da - als Elektroniker für Betriebstechnik wäre ihm zumindest das Zusammenbauen der Zünder für eine ferngesteuerte USBV zuzutrauen.

Es fällt aber auf, dass er, wenn er heute schon 28 Jahre alt ist, 2015 zum Zeitpunkt der Preisverleihung um die 25 Jahre alt gewesen ist. Relativ alt also für einen gewerblich-technischen Auszubildenden. Natürlich wäre jetzt auch eine Umschulung oder etwas ähnliches denkbar - ganz ohne Zweifel ob die von Sputnik verbreitete Identität die richtige ist bin ich aber noch nicht.

Auch schließt das m.E. nicht aus, dass W. sich hat anwerben lassen oder bedeutet automatisch, dass er alleine handelte. Immerhin musste er sich auch die Sprengmittel beschaffen. Ich bleibe also nach wie vor bei meiner These, dass ggf. hinter diesem "Anschlag" eher die OK als ein Einzeltäter steckt.

Anschlag auf den BVB - Einzeltäter oder Auftragnehmer?

Mit PMR-Funkgerät gezündete USBV
Der Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus wurde, anders als man zunächst hätte vermuten können, nicht vom Daesh verübt. Vielmehr war der Täter, laut Pressemitteilung des Bundesanwaltes, ein deutsch-russischer Staatsangehöriger namens Sergej W., der demnach monetäre Motive verfolgte und eventuell auch mit einem vorgeblich islamistischen Bekennerschreiben den Fokus auf den IS als Tätergruppe richten wollte.

W. hatte zuvor offenbar Optionsscheine für BVB-Aktien erworben und spekulierte nun darauf, dass sein Anschlag zu fallenden Kursen der BVB-Aktie hätte führen müssen. Meines erachtens wäre dies vor allem der Fall gewesen, wenn das "Kampital" des BVB, namentlich die Spieler, dabei "beschädigt" worden wäre. Wären also einer oder mehrere Spieler zu Tode gekommen oder invalidisiert worden, hätte das zu Abschlägen auf der Aktiv-Seite der BVB-Bilanz führen müssen und sein Plan wäre aufgegangen.

Bis hierhin ist das m.E. noch logisch nachvollziehbar. Ab dem Punkt, wo Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank die eigentliche Tatbegehnung schildert, kommen bei mir aber einige Fragen auf. Demnach waren die Sprengsätze ferngezündete USBVen, ähnlich derer die ich selbst auch schon in Afghanistan und im Irak gesehen habe. Das lässt darauf schließen, dass der Festgenommene entweder selbst über gute Kenntnisse hinsichtlich dieser Techniken verfügt oder die Sprengvorrichtungen von jemandem anderen erhalten hat. Die mangelhafte Positionierung der Vorrichtungen am Tatort könnten ein Indiz für letzteres sein.

Sowohl das Herstellen solcher professioneller IEDs als auch der Kauf von Optionsscheinen im genannten Umfang kosten Geld. Das muss der Festgenommene sich entweder geliehen haben, es vorher schon besessen haben oder von jemandem "gesponsort" bekommen haben. Sicher kennt der GBA den Hintergrund des Sergej W. und kann sagen, ob er entsprechende Gelder selber hatte. Hatte er sie nicht, stützt das meine Theorie, deren Verfolgung sich m.E. lohnen könnte:

Der W. könnte entweder im Auftrag von Dritten gehandelt haben oder zumindest in entsprechende Kreise eingebunden sein, in denen die Begehung solcher Taten zum "normalen" Geschäftsgebaren gehört. Die üblichen Verdächtigen in diesem Zusammenhang, landläufig als "Russische Mafia" bekannt, wird sich der GBA sicher einmal genauer anschauen müssen. Er weiß, dass Lev Zamarows Замаровская Группа - zu deutsch Gruppe Samarowskaja im Umgang mit Kriegswaffen geübt und in Deutschland vernetzt ist. Er weiß auch, dass die воры в законе, die Diebe im Gesetz, aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, lokale Kartelle in Deutschland unterhalten. Sicher lohnt es sich, den W. mal auf entsprechende, einschlägige Tätowierungen hin zu überprüfen.

Man müsste, würde man einen solchen, größeren Zusammenhang vermuten, sicher auch einmal prüfen, ob es außer den vom W. selbst getätigten Finanztransaktionen noch weitere auffällige Bewegungen gegeben hat, etwa auf dem Sportwetten- oder eben dem aktien- oder CFD-Markt.

Ich für meinen Teil bin sehr gespannt, was wir da noch erfahren werden. Wenn wir etwas erfahren werden. Ein Teil der Wahrheiten zu diesem Fall könnte die Bevölkerung m.E. weit mehr beunruhigen als es vereinzelte Hobby-IS-Terroristen jemals könnten. Meine These ist seit Jahren: Die Unterminierung der deutschen Gesellschaft durch die orgnisierte Kriminalität weigt als Bedrohung weit schwerer als das, was an islamischem Terrorismus, meist ausgeführt von mangelhaft ausgebildeten Counter-Strike-Kiddies, hier herein tröpfeln kann...

Montag, 10. April 2017

Al-Tabqa

Kürzlich las ich eine Nachrichtenmeldung, nach der syrische und amerikanische Streitkräfte die Luftwaffenbasis von Al-Tabqa in der Nähe von ar-Raqqa vom Islamischen Staat zurück erobert hätten. Sie sei dabei (oder davor) erheblich beschädigt worden.



Staudamm des Assad-Sees in Syrien
Foto: Mohammed7799, CC-BY-SA 4.0
Vor einigen Jahren, als sich der syrische Bürgerkrieg moch nicht mal abzeichnete, zumindest nicht für mich. war ich dort einmal gewesen. Vor allem ging es damals um den Staudamm von Al-Tabqa , der den Assad-Stausee entstehen lässt.



Inzwischen soll die Talsperre schwer beschädigt sein. Die  Grabstätte von Sulaiman Schah, die beim Anlegen des Sees umgesetzt worden ist und seit jeher eine türkische Exklave in Syrien war, wurde im Februar 2015 durch türkische Streitkräfte "evakuiert". Diese Sehenswürdigkeit konnten wir seinerzeit noch besichtigen. Inzwischen ist dort sicher vieles an technischen Errungenschaften vernichtet und viel Kulturgut verloren gegangen. Ganz abgesehen von den zahlreichen Menschenleben, die dieser Konflikt schon gekostet hat und noch kosten wird halte ich das für einen gravierenden Verlust für die gesamte Menschheit.

Freitag, 7. April 2017

Dritter Weltkrieg - wie lang dauert es noch?

Abschuss einer Tomahawk von der USS New Jersey
Foto: Department of Defense, gemeinfrei
Ein bisschen Angst kann man schon bekommen, wenn man sich überlegt, dass derzeit in Syrien so ziemlich jede Nation und jedes Bündnis irgendwie militärisch aktiv ist und die unterschiedlichsten Interessanslagen vorherrschen. Aktuell stehen nach dem Angriff der USA auf die Luftwaffenbasis Shayrat die Zeichen zwischen den USA und Russland auf Konfrontation.

Bedenkt man zudem den Fakt, dass auch an der NATO-Ostflanke gerade keine entspannte Situation vorherrscht, die Ukraine, Georgien sowieso und nicht zuletzt auch die Türkei nicht als absolut berechenbar einzuschätzen sind, dann kann man schon zu dem Schluss kommen, das mittelfristig alles, bis hin zu einer größeren bewaffneten Außeinandersetzung nicht auszuschließen ist.

Was bedeutet das für uns in Deutschland, für jeden einzelnen persönlich:
  • Sofern eine private Notfallplanung noch nicht erfolgt ist, sollte das schnell nachgeholt werden. Dazu gehört:
    • Wie sichere ich im Notfall mein Vermögen und meine wichtigsten Dokumente?
    • Wie kann ich überleben, wenn die Versorgung einmal nicht mehr gewährleistet ist?
    • Brauche ich einen Fluchtplan, um bei einer Bedrohung entkommen zu können?
  • Aufmerksam bleiben: Aggitation, Propaganda und ggf. auch False Flag-Aktionen durhc mögliche Gegner könnten zunehmen!
  • Risiko-Management im Business:
    • Welche Handelsbeziehungen könnten bei einem Konflikt gestört werden?
    • Ist die elektronische Kommunikation sicher, sind meine Daten sicher verwahrt?
    • Wie lange kann ich mein Geschäft betreiben, wenn die Versorgung einmal nicht mehr gewährleistet ist?
    • Habe ich Pläne, um nach einer Störung wieder den Betrieb aufnehmen zu können?



Corelli alias Richter alias Delling

Aus persönlichen Motiven, die ich hier jedoch nicht öffentlich machen werde, beschäftige ich mich seit einigen Jahren mit dem Themenkomplex des so genannten Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU). Ich bin ganz grundsätzlich der Meinung, dass hier viele Dinge nicht zusammen passen und dass das, was einzelne Behördenvertreter oder ganze Behörden in diesem Kontext nicht bekannt machen, weit über das hinaus geht, was beim einfachen Vertuschen von Fehlern notwendig wäre.

Eine von vielen mysteriösen Figuren in diesem Spiel ist Thomas Richter, der Öffentlichkeit als V-Mann Corelli bekannt. Er war von 1997 bis 2007 als Spitzel des Verfassungsschutzes in der rechten Szene und auch in der Nähe von Uwe Mundlos unterweges. Nach der Aufdeckung des NSU wurde Richter 2012 durch den CDU-Politiker Holger Stahlknecht, damals Innenminister von Sachsen-Anhalt, meines Erachtens mutwillig kompromittiert. Fortan lebte Richter im Zeugenschutzprogramm unter der Identität Thomas Delling in der Nähe von Bielefeld.

Richter war Anfang bis Mitte der 2000er Jahren offenbar an der Produktion von CDs bzw. DVDs beteiligt, die schon zu einem frühen Zeitpunkt den Sicherheitsbehörden vorlagen und bereits Hinweise auf den NSU enthielten. Zu diesen CD's sollte er im Jahr 2014 vernommen werden. Dazu kam es jedoch nicht, da Richter (als Delling) im März des Jahres nach offiziellen Angaben an einer nicht erkannten Diabetes-Erkrankung verstarb.

Im Nachgang tauchen bis heute immer wieder Erkenntnisse auf, die den Umfang der Einbindung Richters in das NSU-Umfeld und die (möglichen) Erkenntnisse, die die Sicherheitsbehörden aus seiner V-Mann-Tätigkeit erlangten oder hätten erlangen können, wenn sie sich richtig damit befasst hätten. Zudem scheint es Zweifel an den Todesumständen von Richter zu geben und zumindest besteht eine theoretische Möglichkeit, dass der Tod durch Beibringen von Gift hervor gerufen worden sein könnte.

Mir erscheint das, wie so vieles in der ganzen Sache, sehr suspekt:
  • Warum sollte man Richter an Aussagen zu CD's hindern, die sich nach wie vor als Asservate im Besitz der Behörden befanden. Was hätte er so wichtiges aussagen können, was über den Inhalt und die möglichen Urheber der CD, die die Behörden ja selbst ansehen bzw. mutmaßen konnten, hinaus geht?
  • Wenn die "alten Freunde" Richter beseitigen hätten wollen, wäre es dann nicht sinnvoller gewesen, das so zu machen, dass es auch alle möglichen "Nachahmer" mitbekommen und als Warnung verstehen können?




Donnerstag, 6. April 2017

Der Rocket-Man

Bei manchen unserer Aufträge bewegen wir uns in ehemals vom Krieg betroffenen Regionen. Manchmal ist dort auch immer noch eine "unsichere" Situation, wie etwa im Irak oder in Afghanistan. Bei Bauprojekten stellen sich dabei nicht selten auch Fragen nach der Kampfmittelfreiheit des Baugrundes. Es muss also geklärt werden, ob sich dort noch Waffen, Munition oder Minen befinden, bevor die Bauarbeiten beginnen können. Dies beurteilen meist die staatlichen Stellen des Landes, in dem das Projekt durchgeführt werden soll. Es ist aber gute Praxis, selbst mit eigenen Experten diese Beurteilung zu begleiten. Ggf. ist die Kampfmittelräumung dann auch Projektbestandteil, dann nutzen wir eher unsere eigenen Partner als regionale Unternehmen oder das Militär.

Einer der absoluten Experten für Kampfmittel aller Art war Paul. Paul hatte eine Ausbildung bei den Streitkräften der DDR erhalten, und da Deutschland ja aufgrund des 2. Weltkrieges auch mit allerhand Blindgängern und Minenfeldern belastet war, erwarb er sich über einige Berufsjahre im Dienst der DDR eine riesige Erfahrung mit allen Arten von Munition, Sprengmitteln usw. Zudem wurde er im Rahmen der "Entwicklungshilfe" in den 1980er Jahren im von der Sowjetunion besetzten Afghanistan eingesetzt und lernte dort auch die Modernen Kampfmittel aus russischer Produktion kennen.

Paul kannte sich also gefühlt mit allen denkbaren Munitionsarten, Minen und Bomben aus die irgendwer jemals erschaffen hatte. Ich hatte mehrmals mit Paul zu tun, sowohl im ehemaligen Jugoslawien als auch in Afghanistan. Dort erwarb er sich durch eine besonders denkwürdige Aktion nicht nur unseren Respekt sondern auch die Annerkennung eines EOD-Teams der US-Marines, die sicherlich auch nicht wenig in ihrer Laufbahn gesehen hatten. Und das kam so:

In der Nähe von Kandahr sollte ein Firmengelände für einen unserer Kunden als Stützpunkt und Bauhof für zukünftige Projekte in der Region hergerichtet werden. Nachdem viele, viele Formalitäten mit den örtlichen zuständigen (und nicht zuständigen) Behörden abgewickelt worden waren konnte das Gelände angekauft und mit den ersten Arbeiten begonnen werden. Eine der ersten Maßnahmen war, wie üblich, ein so genannter "IED-Sweep", also die Absuche des Geländes nach unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen, landläufig Sprengfallen. Es bestand eine gewisse Wahrscheinlichkeit auch wirklich etwas zu finden, denn um das Gelände herum hatte es offenbar Kampfhandlungen gegeben.

Neben einer Kiste mit unscharfen Handgranaten aus jugoslawischer Produktion, die allerdings überlagert und nicht transportsicher waren, fanden wir in einem Keller einige Abwasserrohre, wie man sie in Deutschland im Baumarkt kaufen kann. Sie waren auf eine ungewöhnliche Länge abgeschnitten und vor und hinten mit Deckeln versehen, was für den normalen Gebrauch keinen Sinn macht. Dennoch brauchte es Paul und seinen legendären Spürsinn, um die Gefahr dabei zu erkennen. Die obersten Rohre waren offenbar leer, weiter unten in dem Haufen befand sich aber etwas in den Rohren.

Marines und Contractors im Shur Andam Industrial Park Kandahar
U.S. Department of Defense Current Photos
Da ohnehin alleine aufgrund der notwendigen Sprengung der Handgranaten die ANA (die Afghanische Nationalarmee) hinzu gezogen werden musste, sahen wir zunächst von weiteren Untersuchungen ab und gingen weiter der Suche im Gelände nach. Nach eine gefühlten Ewigkeit traf ein Trupp der ANA ein, der aber nur mitteilen könnte, dass man noch auf eine amerikanische Mentoren-Einheit zu warten hätte. Die dann am nächsten Tag eintraf...

Glücklicherweise handelte es sich bei der Mentoring-Einheit um einen EOD-Trupp, also um eine für Entschärfungen speziell ausgestattete und ausgerüstete Truppe. Paul führte den Truppführer zu dem verdächtigen Platz, und nach einer kurzen Diskussion stand fest, dass dort tatsächlich eine Gefahr zu bestehen schien. Seitens der Amerikaner musste weiteres Personal und Material nachgeführt werden, einschließlich eines Sanitätstrupps. Erst dann wagten sich die Experten weiter vor.

Katjuscha-Raketen
Von Tomasz Szulc
Scan from Nowa Technika Wojskowa 10/93
Gemeinfrei
Nach einigen Stunden schwieriger Arbeit an dem Haufen Rohre hatten die Marines neben den Handgranaten insgesamt 10 sowjetische 9M22-Raketen abgelegt, die für den Raketenwerfer BM-21 "Grad" produziert wurden. Diese Raketen kennt man aus den Medien als "Katjuscha", und sie wurde häufig von improvisierten Startrampen aus gegen Israel oder, in Afghanistan, gegen die Feldlager der ISAF, eingesetzt. Normalerweise würden die "Besitzer" solche wertvollen Waffen nicht irgendwo zurück lassen. Wie die Dinger also in den Keller des Fabrikgebäudes gekommen waren, kann nur spekuliert werden. Eventuell wurden sie von irgendwem irgendwo gestohlen und dort versteckt. Hin und wieder kann dann der Dieb seine Beute nicht mehr bergen und auch niemandem erzählen wo er sie versteckt hat, weil er selbst vorher zu Tode kommt.

Jedenfalls war ein solcher Zufallsfund wohl etwas so Besonderes, dass Paul von da an von den Marines, die wir später noch mehrmals treffen sollten, der Rocket-Man genannt. Bei einem informellen Treffen mit der Einheit, bei dem es sogar ein BBQ gab, wollten die jungen Marines nur die Geschichten des alten Deutschen "Rocket-Man" hören, der sie gerne zum besten gab. Er war schon in Afghanistan gewesen, als manche der Soldaten, mit denen er sprach, noch nicht geboren waren.

Dienstag, 4. April 2017

Vučko und sein Erbe

Vučko auf einer Infotafel vor dem Hauptbahnhof von Sarajevo
Bild: Herbert Ortner - eigene Aufnahme, Bild-frei
Eine meiner ersten bewussten Erinnerungen ist der heulende Wolf Vučko im Fernsehen. Er war das Maskottchen der Olympischen Winterspiele 1984 in Sarajevo. Damals war ich noch ein kleiner Junge, aber vielleicht habe ich mir das deshalb so gut gemerkt, weil mein Großvater begeistert die Sportveranstaltungen schaute und ich mit ihm kucken durfte. Viel verstanden haben dürfte ich da nicht, aber den Wolf der immer wieder "Sarajeeeeevoooo" heulte, den habe ich mir gemerkt.

Anfang des Jahres 2005, auf dem Rückweg aus dem Kosovo, kam es zu einem kurzen Aufenthalt bei Kollegen, die in Bosnien arbeiteten. Ich befand mich einen Tag und eine Nacht lang in Sarajevo und konnte mit dort ein bisschen umsehen. Tatsächlich begegnete mir an einer Wand am Hauptbahnhof der Wolf Vučko zum ersten mal seit gefühlt 25 Jahren wieder, aber sofort hatte ich wieder sein Heulen im Kopf.

Durch Schüsse beschädigtes Olympiasymbol
Bild: Hedwig Klawuttke, CC BY-SA 3.0



Das brachte mich auf die Idee, mir die olympischen Sportstätten bzw. das, was davon nach dem Bosnien-Krieg übrig geblieben war, anzuschauen. Ich besichtigte also die Sprungschanzen am Berg Igman, von dem aus die Bosnische Hauptstadt während des Krieges böse beschossen worden war (aus der Ferne, da dort immer noch Minenfelder liegen), die erst kurz zuvor wieder aufgebaute Olympiahalle und das direkt daneben liegende Olympiastadion. Beide waren im Krieg u.a. als Begräbnisstätten benutzt und schwer zerstört worden. Direkt hinter dem Vorplatz der Olympiahalle befindet sich heuet noch ein großer Friedhof.

Verfallene Bobbahn in Sarajevo
Bild: Julian Nitzsche, CC-BY-SA 3.0
Am bedrückendsten fand ich die Reste der olympischen Bobbahn am Berg Trebevic. In den Wäldern rings herum lagen Mienen, da auch dieser Berg schwer umkämpft war. Die Bobbahn war seither nie mehr benutzt worden. Bei meinem letzten Trip nach Bosnien im Jahr 2013 hörte ich aber, dass dort eine Mienenräumung vorgenommen worden war. Vielleicht können dann auch dort einmal wieder Sportveranstaltungen stattfinden.