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Osmanische Brücke bei Gjakova im Südwesten des Kosovo, Bild: Julian Nitzsche, CC-BY-SA 3.0 |
Meist sehen wir in unserem Geschäft unsere Gesprächspartner, mit denen wir irgendwo auf der Welt ein Geschäft vorbereitet haben, nie mehr wieder. Die "Jugoslawien-Kriege", von denen ich mangels Lebensalter glücklicherweise nur noch die Nachwehen "on the job" miterlebte, brachten es aber mit sich, dass wir unser Gegenüber manchmal auch schneller wieder trafen als es uns teilweise lieb war. Das lag zum einen an der relativen räumlichen Nähe, zum anderen an der schlechten wirtschaftlichen Situation in Ex-Jugoslawien, die viele Menschen nach Mitteleuropa trieb um dort zu arbeiten.
Bei einem Infrastrukturprojekt im Kosovo, nahe der albanischen Grenze, hatten wir einen so genannten "Sprachmittler" namens Mile. Aufgrund seines stämmigen Äußeren (hoch wie breit) wirkte er sehr "kompakt" und in Kombination mit seinem Vornamen, der an eine deutsche Küchengerätefirma erinnerte, brachte ihm das den Spitznamen "der Kühlschrank" ein. Der Kühlschrank machte auf uns alle einen zwielichtigen Eindruck, mein damaliger Chef meinte aber, das seien oft die besten Türöffner. Wie so oft waren die Sprachmittler im Kosovo nicht bloße Übersetzer, sondern auch so etwas wie Kulturbotschafter, die uns oft vor Fehltritten schützen und eben dort Türen öffneten, wo wir es mit bloßen Angeboten von "Mark" - eigentlich ja Euro oder Dollar, nicht vermochten.
Zwielichtige Gesellen waren und sind nun tatsächlich nichts ungewöhnliches in unserem Job, aber der Kühlschrank hatte hier sicher eine Sonderstellung. Er schien sowohl bei den Serben als auch bei den Albanern ein uns aus gehen zu können, wie er wollte, und er konnte aus allen möglichen und unmöglichen Quellen in kürzester Zeit Dinge besorgen, für die die Profi-Logistiker der KFOR Wochen gebraucht hätten. Wie so oft wollten wie daher gar nicht wissen, womit er außer mit der Arbeit für uns seine Brötchen verdiente.
Nach erfolgreichem Projektabschluss gingen wir wie immer alle unserer Wege, und auch wenn wir Monate sehr eng zusammen gearbeitet und teils auch gelebt hatten, ein besondere Interesse den Kontakt zum Kühlschrank aufrecht zu erhalten hatte ich nicht. So traten die Erlebnisse dort schnell in den Hintergrund und neue Themen nahmen ihren Platz ein.
Und so ließ mich eine plötzliche Begegnung mit dem Kühlschrank in einem Zustand zurück, den ich schwer beschreiben kann. Immer, wenn ich nochmal an ihn denken musste oder wenn wir mit den Kollegen mal über ihn sprachen und unsere Witze machten, hatte ich ihn mir aufgrund seiner sozialen Stellung und seines Organisationstalentes als schwerreichen Dorfobermotz in den kosovarischen Bergen zwischen Albanien und Mazedonien vorgestellt. Und nun traf ich ihn, fast 10 Jahre nach unserer Arbeit mit ihm, in einer deutschen Großstadt wieder. Er lenkte dort in sauberer Uniform einen Linienbus, in den ich gerade einsteigen wollte. Unwillkürlich zuckte ich zurück - war er es, war er es nicht? Ich war mir sicher - und ich nahm dann doch den nächsten Bus...
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